Nachhaltig Investieren mit ETFs. Warum wir auf ESG-Screening setzen

Nachhaltige ETFs haben einen guten Ruf. Sie klingen nach einer einfachen Lösung für ein komplexes Problem: Geld investieren, Gutes tun. Im Artikel Nachhaltige ETFs: Ein sinnvoller Weg, Kapital langfristig für gute Zwecke einzusetzen? haben wir bereits erläutert, warum diese Hoffnung trügt. ESG-ETFs (Environmental, Social, Governance) beeinflussen weder die Investitionsentscheidungen von Unternehmen noch deren Geschäftsmodelle. Ihre Wirkung bleibt – empirisch betrachtet – begrenzt.
Warum also setzt Geld für die Welt dennoch auf zwei ESG-gescreente ETFs?
Zwei Fonds, ein Prinzip: Ausschluss statt Transformation
Wir investieren in zwei breit gestreute ETFs, die ESG-Screening-Ansätze verfolgen:
- MSCI World ESG Screened UCITS ETF (ISIN: IE00BFNM3J75)
- MSCI Emerging Markets IMI ESG Screened UCITS ETF (ISIN IE00BFNM3P36)
Die Fonds folgen den Indizes MSCI World bzw. dem MSCI Emerging Markets IMI und wenden ein negatives Screening an. Das bedeutet konkret: Unternehmen aus besonders kontroversen Sektoren wie Waffenproduktion, Kohleförderung, Tabakindustrie oder mit gravierenden Menschenrechtsverstößen werden systematisch ausgeschlossen. Die Methodik ist öffentlich einsehbar, transparent und nachvollziehbar.
Im Unterschied zu vielen ESG-Produkten wird hier kein "Best-in-Class"-Ansatz verfolgt. Es geht also explizit nicht darum, das „nachhaltigste“ Ölunternehmen im Index zu behalten, sondern darum, vermeidbare Zielkonflikte auszuschließen.
Kein Wandel, aber weniger Schaden
Weder der MSCI World ESG Screened noch sein Pendant für Schwellenländer haben messbaren Einfluss auf eine soziale und ökologische Transformation der Weltwirtschaft. Das liegt daran, dass beide Fonds auf dem Sekundärmarkt investieren. Das bedeutet: Es wird nicht neues Kapital bereitgestellt, sondern Anteile bereits börsennotierter Unternehmen gehandelt. Diese Transaktionen beeinflussen die Unternehmensfinanzierung daher nicht unmittelbar.
Und dennoch hat die Wahl dieser Produkte für uns eine Funktion – nicht im Sinne einer Wirkung auf Unternehmensverhalten, sondern als Ausdruck einer Haltung. Auch wenn ESG-Screened-ETFs keine realen Kapitalströme umlenken, vermeiden sie zumindest, dass unser Portfolio jene Unternehmen enthält, deren Geschäftsmodell klar gegen unsere Werte steht.
Wir halten das nicht für „Impact“, sondern für Kohärenz: Wer Wirkung glaubwürdig anstrebt, sollte dort, wo er es kann, vermeidbare Widersprüche minimieren. ESG-Screening erfüllt für uns genau diese Rolle – als Filter, nicht als Hebel.
Kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung
Steht dieser Ansatz im Widerspruch zur ESG-Kritik aus unserem letzten Artikel? Nicht wirklich. Wir halten weiterhin fest: ESG-ETFs entfalten nach heutigem Forschungsstand keine direkte oder robuste realwirtschaftliche Wirkung, insbesondere nicht durch bloßes Umschichten von Aktien auf Sekundärmärkten. Die ökonomische Literatur sieht Wirkungspotenziale primär bei aktiven Eigentümerstrategien oder in der Primärmarktfinanzierung (vgl. Koelbel, Paetzold & Busch, 2020; Dimson et al., 2015).
Gleichzeitig ist ESG-Investieren nicht völlig wirkungslos – zumindest nicht aus Sicht der Investoren selbst. In einer vielzitierten Analyse argumentieren Gross, Jacob & Posner (2023), dass ESG-Investments vor allem Ausdruck von Investorenpräferenzen seien – also eine Form moralischer oder normativer Selbstvergewisserung.
In gewisser Weise ist es bei uns genauso: Wir investieren nicht in ESG-Screened ETFs, weil wir an deren transformative Kraft glauben, sondern weil wir mit unserem Kapital keine destruktiven Geschäftsmodelle mittragen wollen. Das ist keine Wirkung im engen Sinn, sondern eher eine ethisch motivierte Mindestanforderung.
Warum nicht SRI?
Unsere Entscheidung für ESG-Screened-Varianten ist auch eine bewusste Abgrenzung von restriktiveren ESG-Strategien – etwa der SRI-Variante („Socially Responsible Investing“) des MSCI World. Während der klassische MSCI World rund 1.500 Unternehmen umfasst, sind es im MSCI World SRI nur etwa 400 Positionen – ein Rückgang um fast 70 %. Damit sinkt die Diversifikation spürbar und das Risiko steigt, insbesondere für langfristige Anlagehorizonte.
Für uns als gemeinnütziger Fonds ist Diversifikation kein Selbstzweck, sondern Ausdruck verantwortungsvoller Mittelverwaltung. Wir streben ein robustes, breit gestreutes Portfolio an, um über Jahrzehnte hinweg stabile Kapitalerträge zu erzielen.
ESG-Screened ist für uns daher der ökonomisch und ethisch tragfähige Kompromiss: Wir schließen systematisch problematische Sektoren aus, erhalten aber eine robuste Diversifikationsstruktur, die ein globales ETF-Investment leisten kann.
Wirkung dort, wo sie zählt: auf der Ausgabenseite
Der eigentliche Hebel für Veränderung liegt bei Geld für die Welt nicht in der ETF-Auswahl, sondern in der Verwendung der Erträge: Jedes Jahr leiten wir 2 % unseres Gesamtvermögens in evidenzbasierte Projekte um, die nachweislich Armut reduzieren und nachhaltige Entwicklung im Globalen Süden fördern (hier entscheiden letztlich unsere Spenderinnen selbst).
Wir nutzen ETFs nicht für „Impact Investing“, sondern für wirkungsorientierte Kapitalbereitstellung. Das ist weniger sichtbar, aber empirisch belastbarer – und langfristig wirksamer.
Fazit
Geld für die Welt investiert nicht in ESG-ETFs, weil wir an deren transformative Kraft glauben – sondern weil wir uns weigern, mit bestimmten Geschäftsmodellen Geld zu verdienen. Der eigentliche Impact entsteht nicht auf der Investmentseite, sondern auf der Seite der Kapitalverwendung.
ESG-Screening ist nicht die Lösung. Aber in Kombination mit einer konsequent evidenzbasierten Reallokation der Kapitalerträge ist es der sauberste Weg durch eine komplexe Investmentwelt.
Literatur (Auswahl)
- Koelbel, J. F., Paetzold, F., & Busch, T. (2020). Can sustainable investing save the world? Reviewing the mechanisms of investor impact. Organization & Environment. Link
- Gross, J., Jacob, M., & Posner, S. (2023). ESG Investing: Theory, Evidence, and Misconceptions. MIT Sloan Research Paper. Link
- Dimson, E., Karakaş, O., & Li, X. (2015). Active ownership. The Review of Financial Studies, 28(12), 3225–3268. Link
- Berg, F., Kölbel, J., & Rigobon, R. (2022). Aggregate confusion: The divergence of ESG ratings. The Review of Finance. Link
Verwandte Beiträge

ETFs: Was du über die passive Geldanlage wissen solltest
Was sind ETFs und warum setzen immer mehr Anlegerinnen auf sie? In diesem Artikel erfährst du, wie Exchange Traded Funds funktionieren, warum sie langfristig in der Regel besser abschneiden als aktiv gemanagte Fonds oder Einzelaktien und weshalb der MSCI World dabei eine zentrale Rolle spielt.
Julian Lindenberg

Passives Einkommen für gemeinnützige Zwecke?
ETFs sind längst ein bewährtes Instrument für den privaten Vermögensaufbau und die Altersvorsorge – kosteneffizient, breit diversifiziert und langfristig rentabel. GeldFürDieWelt überträgt dieses Prinzip auf den gemeinnützigen Sektor: Durch strategisches Investieren von Spenden in ETFs entsteht ein wachsendes Vermögen, über das nachhaltig wirkungsvolle Projekte unterstützt werden.
Tilmann Schneider

Nachhaltige ETFs: Ein sinnvoller Weg, Kapital langfristig für gute Zwecke einzusetzen?
Viele ESG-ETFs werben mit nachhaltigen Investitionen, doch in der Praxis bleibt ihr Einfluss gering. Der Handel mit Aktien verändert keine Unternehmenspolitik – und problematische Firmen bleiben oft im Portfolio. GeldFürDieWelt geht einen anderen Weg: Wir nutzen die Vorteile von ETFs, um reale Wirkung zu erzielen – mit jährlichen Ausschüttungen an evidenzbasierte Hilfsprojekte.
Christoph Lindenberg